Anthropozän und Temps perdu
08.06.2024 • ERDROTATION
"Psychoanalyse erlernt man zunächst am eigenen Leib, durch das Studium der eigenen Persönlichkeit."
Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1916)
Samstag, 8. Juni 2024, 14:00 Uhr
Erdrotation – Dialogorientierte, undogmatische Gesprächsrunde.
Ort Pardo's (Rückseite des K 21), Düsseldorf
Thema:
- Anthropozän und Temps perdu
Was macht die Macht der Menschen so gigantisch, dass die organische Umwelt mikro- wie makrokosmisch Spuren hinterlässt, welche ehemals klassische Sinnlichkeit zunehmend ins Abseits drängt?
Allgegenwärtiges Leuchten der Bildschirme, von August Ruhs so betitelt, bereits ist Ausdruck artifizieller Intensitäten, welche die mentalen Sinnstiftungen gravierend zu beeinflussen vermögen.
Ohne dass ein jeweiliges Selbst abzuschätzen vermag, wie sich dies vor globalem Hintergrund – wer fragt danach? – darstellen mag.
Grenzen sinnlicher Wirklichkeit
Allpräsente Kraftmaschinen und die erforderliche Kombustion organischer Rohstoffe schaffen Ausdrucksformen von extremer Dynamik. Die physische Präsenz von Kraftfahrzeugen macht verdichtete Regionen menschlichen Zusammenlebens zu Orten monströser Unzugänglichkeit.
Von den Begleiterscheinungen gedankenloser Digitalisierungskybernetik nicht zu reden – oder doch?
Wenig rücksichtsvoll kurzgeschlossene Ordnungen von Produktion und Konsum zelebrieren partiell nur stabile Überflussterrains, während demonstrativ praktizierter Konsum auch die Begehrensordnung ökonomisch schwacher Menschen in großer Zahl kodiert.
Überfluss-Communities steuern weitgehend ziellos durch ubiquitäre Maschinenwelten. Hinterlassen auf ihren Fluchtlinien herrenlose Wüsten, welche das eigene Selbst mit zu umfassen vermögen.
In welchen Ausmaß? Gibt es diesbezüglich ein verlässliches Urteilsvermögen? Welches die Externalisierung von im Unbewussten unhaltbaren Produktivkräften mit berücksichtigt?
Sind Spuren dessen mit sozial-psychologischem oder psychiatrischem Vokabular fassbar? In den Seelen der Menschen wie in ihrer Weltwahrnehmung?
Wo – Abschlussfrage – lag der Umschlagpunkt dessen, was einst Freude und Lust bereitete, in etwas, das als Verlorenes durchaus wiederzufinden ist – mit den kleinen Gebrauchsspuren der temps perdu?
Stille Welt, 1976.