Blues and the Unconscious
28.02.2026 • ERDROTATION
"Psychoanalyse erlernt man zunächst am eigenen Leib, durch das Studium der eigenen Persönlichkeit."
Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1916)
Samstag, 28. Februar 14:00 Uhr
Erdrotation – Dialogorientierte, undogmatische Gesprächsrunde mit Ulrich Hermanns.
Ort: Pardo's (Rückseite des K 21), Düsseldorf
Thema:
- Blues and the Unconscious - Blues und das Unbewusste
Verdrängt, unterückt und doch Ausdruck. Eine Spur, die Blues mit dem Ubw verbindet.
Dichte der Präsentation, Spärlichkeit der Akteure. Innerhalb eines minimalistischen Ensembles entfalten sich Zusammenhänge, die einigermaßen vorhersehbar sind, sich jedoch alle Wege offenhalten, irgendwo zu landen, wohin die inspirierenden Läufe führen. Das ist bei Improvisationen genauso klar wie im Entfalten der Traumproduktion.
Konzentration auf eine Tonart lässt die Klangfiguren einigermaßen ähnlich der Szenenfolge in Träumen fließen.
Wobei Träume sich zwischen Anfang und Ende doch sehr unterscheiden. Eine Blueslogik – kreativ, wie sie ist – fasst das symbolische Bündel der Verschlingungen rundum ein. Beidem gemeinsam ist die Bedeutung von Ausdruck, von unmittelbarem Betonen und Modulieren auch der kleinsten Nuance.
Die Schwere von Menschlichkeit, von nicht nur erinnertem Schicksal – Tagesrest –, sondern die Präsenz im Aufgeführten. Die meisten Bluessongs erzählen eine Geschichte, etwas Erlebtes, Empfundenes, was die Zuhörenden so nicht genau kennen, doch es mehr oder weniger tief im Inneren teilen, wünschen, dass es Hervortritt und bejubeln, wenn es geschieht. Dem entspräche die Rolle des Zusehens im Traum, mit den graduellen Intensitäten, welche diese Dichte begleiten.
Es gibt eine kollektive Arbeitsteilung im Blues, welche Traum und Unbewusstes verschlossen halten. Für Opernaufführungen mag Ähnliches gelten, doch sind die zu euphorisch, um diesem kleinen, schmutzigen und doch so klaren Etwas Bedeutung zu verleihen. Es ist auch zu viel Tag in allem Nicht-Bluesigen. Nun ist Blues nicht gleich Blues … John Lee Hooker, Johnny Winter, der poppige John Mayall mit Eric Clapton im Schlepptau. Ein paar Frauen auch, meist an den Vocals und der Gitarre – Arbeit ist eben Männersache. Billie Holiday, die wohl die größte Intensität entfaltet hat, um Emotionen aufzuwiegeln und zu glätten, egal wie ihr Stil bezeichnet wird.
Wäre vielleicht noch etwas zur Arbeit zu sagen, Traumarbeit, die sich von nichts Vorgaben machen lässt und Blues, der eigentlich überhaupt keine Arbeit ist, nur Klage. Man muss die Licks draufhaben, doch wer so etwas spielt, ist einfach drin in einem unvermeidlichen Flow, der die Nackenhaare hochstellt. Kollektiv, drei oder fünf Leute zugleich. Auditiv agil – statt ödipal mit Blendung drohend. Mutterleibsinneres statt Kastrationsdrohung - wobei der Blues dann mit seinem einfachen, eher schreitenden Rhythmus anders wegkommt als Funk oder Jazz. Schlager haben diese Einfachheit auch, doch ist da meist noch zu viel Optimismus, Moral als Schnur zum Rationalen am Werk. Sich fallen lassen, ganz fallen, bis in die Pfützen hinein, sich winden, nicht wissen, wie es weitergeht – that’s the blues.
Die Ubw-Fabriken ... ja, die gibt es auch.

Peter Wambua, Celebration, 2008.